Frequently Asked Questions (Häufige Fragen)

Hier werden kurze Antworten gegeben.
Ausführliche Antworten mit Literatur finden Sie in unserer neuen Publikation:

Martin, D., Simonc, A. & Schwarz, S. (2021)

Impfangebote gegen COVID-19 für Jugendliche ab 12 Jahren –offene Fragen und rechtliche Hinweise

Zahlreiche Bundesländer und Politiker sprechen sich heutzutage für Impfangebote für
Jugendliche ab 12 Jahren betreffend Impfungen gegen Covid-19 aus. Sie befürworten
offenbar eine flächendeckende Durchimpfung auch der Jugendlichen dieser Altersgruppe,
um schneller eine Herdenimmunität in Deutschland sowie einen ungehinderten Schulbetrieb
in Präsenzform nach den Sommerferien zu gewährleisten.

Bericht zum Stand der COVID-19-Impfkampagne – Bundesministerium für Gesundheit / 26.05.2021

Druck beim Impfen von Schülern – doch die Corona-Vakzinen bleiben knapp – Ärzte Zeitung

Häufig bleibt dabei unberücksichtigt, welche Rechtsfragen mit den COVID-19-Impfungen dieser Altersgruppe damit verbunden sind.

Bedingte Zulassung der Covid-19-Impfstoffe

Die Impfangebote der Bundesländer stehen bislang unter dem Vorbehalt, dass die europäische Arzneimittelbehörde EMA den Covid-19 Impfstoff von Biontech/Pfizer auch für Jugendliche dieser Altersgruppe ab 12 Jahren zulässt. Diese Zulassungsentscheidung wird allgemein in Kürze erwartet. Erst ab diesem Zeitpunkt, ab dem die Zulassung verfügbarer Impfstoffe auch auf diese Altersgruppe ab 12 Jahren erstreckt wird, ist eine entsprechende Impfung überhaupt rechtlich zulässig.

Bei der Zulassungsentscheidung der EMA für die Covid-19 Impfstoffe handelt es sich bislang durchweg um so genannte „bedingte Zulassungen“. Das heißt, es handelt sich zwar um Vollzulassungen, sie sind jedoch mit Auflagen verbunden. Vom Zulassungsinhaber wird verlangt, dass er bestimmte Verpflichtungen (laufende oder neue Studien und in einigen Fällen zusätzliche Aktivitäten) in der vorgegebenen Zeit erfüllt, um umfassende Daten vorlegen zu können, die bestätigen, dass die Nutzen-Risiko-Bilanz weiterhin positiv ist. Dieser Umstand einer lediglich „bedingten Zulassung“ berücksichtigt, dass der Beobachtungszeitraum zu den neuartigen Impfstoffen gegen Covid-19 und die Zeiträume der klinischen Studien bislang noch sehr kurz sind.

Zulassungsentscheidung der EMA / Impfempfehlung der STIKO

Von der Zulassungsentscheidung der EMA sind die Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission (kurz: STIKO) zu unterscheiden. 

Gegenstand der Zulassungsentscheidung der EMA sind die Merkmale der „Wirksamkeit“, der „Qualität“ und der „Sicherheit“ der Impfstoffe. Diese Merkmale wurden von der EMA geprüft und durch die (bedingte) Zulassungsentscheidung (vorläufig) bestätigt. 

Gegenstand der Impfempfehlungen der STIKO (vgl. § 20 Abs. 2 IfSG) ist hingegen die Frage, ob und für welche Bevölkerungsgruppen und Indikationen auch ein konkreter Nutzen im Sinne eines Vorteils und einer positiven Nutzen-/Risiko-Abwägung für einzelne Impfungen festgestellt werden kann. Eine solche Impfempfehlung für Covid-19 Impfstoffe für die Altersgruppe der Jugendlichen ab 12 Jahren hat die STIKO bislang nicht ausgesprochen. Äußerungen einzelner STIKO-Mitglieder lassen vermuten, dass die STIKO zum gegenwärtigen Zeitpunkt eher keine allgemeine Impfempfehlung für diese Altersgruppe aussprechen wird, sondern lediglich eine begrenzte Impfempfehlung für bestimmte Risikogruppen dieser Altersgruppe.

Impfempfehlung für alle Kinder unwahrscheinlich – Tagesschau

Corona: Spahn will Jugendliche auch ohne STIKO-Empfehlung impfen – Ärzteblatt

Corona-Impfung ab Zwölf: Der Nutzen für den Einzelnen zählt! – Ärzte Zeitung

Rechtliche Konsequenzen fehlender STIKO-Empfehlung

Was bedeutet nun diese etwaige fehlende Impfempfehlung der STIKO betreffend Covid-19-Impfungen bei dieser Altersgruppe der Jugendlichen ab 12 Jahren für diese Impfangebote ?
Es handelt sich bei den so genannten Impfangeboten nicht lediglich um Angebote, die frei angenommen oder abgelehnt werden können. Mit Blick auf die fehlende Impfempfehlung der STIKO sind damit vielmehr auch rechtliche Konsequenzen verbunden. Dies betrifft vor allem die Frage, ob im Falle des Eintretens eines Impfschadens ein Entschädigungsanspruch des Staates (ein so genannter „Versorgungsanspruch“) besteht oder nicht. Nach § 60 Abs. 1 Nr. 1 IfSG besteht ein solcher Entschädigungsanspruch nur dann, wenn es sich um eine Impfung handelt, die von der zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen wurde. Diese verbindlichen Impfempfehlungen der Landesbehörden (vgl. dazu § 20 Abs. 3 IfSG) orientieren sich üblicherweise eng an den STIKO-Empfehlungen. Es stellt sich somit die Frage, ob die zuständigen Landesbehörden entgegen der (gegenwärtig) fehlenden STIKO-Empfehlung ihrerseits eine eigenständige Impfempfehlung gegen Covid-19 für diese Altersgruppe aussprechen werden oder nicht. Ohne eine solche öffentliche Impfempfehlung der Bundesländer dürfte keine gesetzliche Haftungsgrundlage für einen staatlichen Entschädigungsanspruch im Falle des Auftretens eines Impfschadens bestehen.
Aus Sicht des Unterzeichners handelt es sich bei dieser ggf. fehlenden Rechtsgrundlage für einen staatlichen Entschädigungsanspruch im Falle eines Impfschadens auch um einen Umstand, über den vor der Impfung aufgeklärt werden muss.

Offene Fragen:

Es empfiehlt sich deshalb, bei der Abwägung über die Inanspruchnahme dieses Impfangebots durch Jugendliche ab der Altersgruppe von 12 Jahren mit Blick auf die Rechtslage eines möglichen Entschädigungsanspruches folgende Fragen – z.B. mit dem örtlichen Anbieter des Impfangebots (der Schule oder des Impfzentrums) – abzuklären:

  1. Steht das Impfangebot für Schülerinnen und Schüler ab 12 Jahren auch unter dem Vorbehalt einer entsprechenden STIKO-Empfehlung für diese Altersgruppe?
  2. Liegt – bei Fehlen bzw. Ausbleiben einer Impfempfehlung der STIKO – eine öffentliche Impfempfehlung der jeweils zuständigen Landesbehörde im Sinne von § 60 Abs. 1 Nr. 1 IfSG betreffend eine Impfung gegen Covid-19 in der Altersgruppe ab 12 Jahren vor ?
  3. Besteht nach der Rechtsauffassung des Anbieters der Impfung ein staatlicher Entschädigungsanspruch (Versorgungsanspruch nach § 60 IfSG) im Falle des Eintretens eines Impfschadens infolge einer Impfung gegen Covid-19 im Rahmen dieses Impfangebotes auch dann, wenn keine öffentliche Impfempfehlung hierzu im Sinne von § 60 Abs. 1 Ziffer 1 IfSG seitens der Landesbehörde für diese Altersgruppe von Jugendlichen ab 12 Jahren vorliegt? Auf welcher Rechtsgrundlage?
  4. Enthalten der Aufklärungs- und der Einwilligungsbogen des Anbieters entsprechende Hinweise auf den ggf. fehlenden Rechtsanspruchs auf Entschädigung (öffentlich-rechtlicher Versorgungsanspruch nach § 60 IfSG) im Falle des Auftretens eines Impfschadens nach einer Covid-19-Impfung bei Schülerinnen und Schülern ab 12 Jahren im Rahmen dieses Impfangebotes, solange und soweit keine öffentliche Empfehlung einer Landesbehörde vorliegt?

Aufklärung vor der Impfung:

Bei den zum Teil ins Gespräch gebrachten Reihenimpfungen an Schulen ist außerdem zu beachten: Für öffentliche Impftermine (z.B. bei Schulimpfprogrammen) werden eine vorherige Aufklärung in schriftlicher Form und ggf. auch die Einholung einer schriftlichen Einwilligungserklärung empfohlen. Das entbindet den Arzt allerdings nicht von seiner gesetzlichen Verpflichtung, die zu impfende Person bzw. die Eltern oder Sorgeberechtigten zusätzlich auch mündlich aufzuklären, um ihnen die Möglichkeit für Rückfragen zu geben.

Aufklärung vor Schutz­impfungen – Robert-Koch-Institut

Auch stellt sich insbesondere bei Jugendlichen ab 12 Jahren die Frage, ob die Schüler selbst oder die sorgeberechtigten Eltern oder beide Beteiligten aufzuklären sind und wer in die Impfung letztlich einwilligungsberechtigt ist: Das RKI erklärt dazu: „Bei Minderjährigen unter 14 Jahren ist regelmäßig die Einwilligung der Eltern bzw. Sorgeberechtigten einzuholen. Jugendliche können selbst einwilligen, wenn sie die erforderliche Einsichts- und Entscheidungsfähigkeit besitzen; das ist in der Regel mit 16 Jahren der Fall. Allerdings ist es stets Aufgabe des impfenden Arztes, im Einzelfall festzustellen, ob der Jugendliche „nach seiner geistigen und sittlichen Reife die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs und seiner Gestattung zu ermessen vermag“ (BGHZ 29, 33 – 37). Gem. § 630e Abs. 5 S. 1 BGB ist auch der einwilligungsunfähige Patient entsprechend seinem Verständnis aufzuklären, soweit er aufgrund seines Entwicklungsstandes und seiner Verständnismöglichkeit in der Lage ist, die Erläuterungen aufzunehmen und dies seinem Wohl nicht zuwider läuft.“

Aufklärung vor Schutz­impfungen – Robert-Koch-Institut

All dies wäre selbstverständlich auch bei Reihenimpfungen an Schulen zu beachten, sofern diese tatsächlich in dieser Form organisiert werden sollten.

Jan Matthias Hesse
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht

 

Eine Impfung kann Kinder, die zu gefährdeten Risikogruppen gehören, vor schweren Erkrankungsverläufen schützen; so beispielsweise Kinder mit Downsyndrom. Dazu sind allerdings aktuell noch keine Studien vorhanden. Selbst für Kinder mit Grunderkrankungen wie Typ 1 Diabetes oder Asthma ist das Risiko einer schweren COVID-19 sehr niedrig.
Eine sorgfältige Abwägung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses ist deshalb notwendig.

Kinder erkranken selten und wenn, überwiegend harmlos an COVID-19. Das Risiko für Kinder und Jugendliche wegen COVID-19 zu sterben oder auf die Intensivstation zu kommen ist deutlich geringer, als das Risiko an den üblichen Straßenverkehr teilzunehmen. 
Es existieren noch keine Langzeituntersuchungen. Diese sind gerade bei Kindern, die noch ein langes Leben vor sich haben, zwingend notwendig.
Kinder sind, nach aktuellem Forschungsstand, nicht besonders stark an der Verbreitung der Infektion beteiligt. Eine Herdenimmunität wird auch mit Impfung der Kinder und Jugendlichen nicht erreicht werden können. Eine Impfentscheidung für Kinder erfordert eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung bezüglich der noch zu erwartenden Lebenszeit und der Entwicklung des Immunsystems je nach Alter des Kindes.

Dies kann nie ganz ausgeschlossen werden. Für die neuartigen COVID-19 Impfungen gibt es keine Daten. Bei den bisher zugelassenen Impfstoffen; für andere Erkrankungen sind spät auftretende Nebenwirkungen nach dem derzeitigen Kenntnisstand sehr selten.

Kinder haben einen Organismus, der sich noch in der Entwicklung befindet und in vielerlei Hinsicht vulnerabler ist, als der von Erwachsenen.
Das Immunsystem und auch die Organe sind noch nicht ausgereift.
Kinder kommen mit vielen Erregern in Kontakt und entwickeln normalerweise schnell und auf natürliche Weise Abwehrreaktionen gegen Erreger, so auch bei Sars-CoV-2.

Es treten übliche lokale Reaktionen an der Einstichstelle wie Rötung, Schwellung, Schmerzen sowie Infekt-ähnliche Symptome wie Fieber auf. Generell kann es zu Reaktionen auf allergen wirkende Substanzen in den Impfstoffen kommen. Die Ergebnisse von Langzeitstudien für Kinder bleiben abzuwarten. In der Zulassungsstudie von Cominarty traten schwere Nebenwirkungen bei 4 von 1000 Jugendlichen gegenüber 1 von 1000 in der Placebogruppe auf. Die zugrundeliegende Studie ist noch nicht in einem peer reviewed Journal publiziert worden.

Bisher liegt lediglich ein firmeneigener Pfizer/Biontech-Bericht für 12 bis 15-Jährige vor. Wir wissen nur, dass bei 1127 geimpften Jugendlichen nach 30 Tagen kein COVID-19 auftrat, im Gegensatz zu 18 milden Fällen in der Kontrollgruppe, die ein Plazebo erhalten hat. Das bedeutet, die Daten zur Effektivität sind vorläufig und die zur Sicherheit der Impfung in dieser Altersgruppe noch unvollständig. 

Bzgl. Kinder und Jugendlichen gibt es noch keine verlässlichen Daten.

Da das Corona-Virus ein Virus ist das, wie auch das Grippevirus, mutiert (sich verändert), ist zu erwarten das der Impfstoff regelmäßig angepasst werden muss, was wiederholte Impfungen erfordern würde. Daher ist es umso wichtiger abzuwägen, ob das für Kinder und Jugendliche wirklich notwendig ist.

Es gibt verschiedene Impfungen gegen COVID-19 und jede hat ihre Besonderheiten und ihre Vor- und Nachteile.
So genannte mRNA-, DNA-, und Vektorimpfstoffe sind neuartige Impfungen, die bisher kaum am Menschen angewendet wurden. Vereinfacht gesagt, werden bei ihnen körpereigene Zellen dazu angeregt, einen Virusbestandteil selbst zu produzieren. Dieser wird dann eine Immunantwort im Körper auslösen, die im Falle einer Infektion das Virus bekämpft.
Zum Vergleich: Bei vielen herkömmlichen bekannten Impfstoffen wird abgeschwächtes oder abgetötetes Virusmaterial, welches keine oder nur eine milde Infektion auslöst, verimpft, um eine Immunantwort auszulösen, die eine Infektion bekämpfen kann.

Für Jugendliche zwischen 12 und 15 Jahre ist bisher nur für die mRNA-Impfung eine Zulassung beantragt worden. Es ist für diese Altersgruppe keine Impfung zugelassen und es gibt keine STIKO Empfehlung hierzu.

Die DGPI – Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie e.V. – bietet ausführliche Informationen zu COVID-19, PIMS und Long-Covid bei Kindern und Jugendlichen. 

Die DGKJ  – Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie, e.V. – bietet hilfreiche Stellungnahmen.

(Ärzte für individuelle Impfentscheidung e.V. bieten wissenschaftlich fundierte, kritische Informationen.)

Stellungnahme der Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin e.V. (DEGAM)