Gemeinsame Position von Wissenschaft und Ärzteschaft

Vorerst keine COVID-19-Impfung von Kindern und Jugendlichen in Deutschland
– ein Positionspapier

Entwurf, Stand 21. Feb. 2021

Vorbemerkung

Diese Stellungnahme erfolgt, um einen bedachten und wissenschaftlich begründeten Umgang mit der Sars-CoV-2-Impfung bei Kindern und Jugendlichen zu sichern.

Es steht außer Frage, dass die Immunisierung von Menschen zu den größten Erfolgen der modernen Medizin gehört. Auch sind die in Rekordzeit entwickelten Impfstoffe gegen eine COVID-19- Erkrankung ein wichtiger Schritt zur Entspannung der weltweiten Pandemie.

Der Schutz der vulnerablen Gruppe der Kinder und Jugendlichen in der Pandemie muss differenziert analysiert werden. Obgleich erste Erkenntnisse den neuartigen Impfstoffen ein hohes Maß an Sicherheit attestieren, können Langzeitnebenwirkungen, die erst nach Jahren auftreten, für Kleinkinder, Kinder und Jugendliche zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden.

Problem der umfassenden Aufklärung

Die bisherigen Impfstoffe gegen COVID-19 können bei jüngeren Geimpften durchaus mit belastenden Erscheinungen (Schmerzen, Müdigkeit, Fieber) verbunden sein. Für das Kindesalter ist eine gesonderte klinische Prüfung erforderlich.
Wirksamkeit wie Nebenwirkungen hängen grundsätzlich vom Impfstoff und den Geimpften ab. Es gibt keine nebenwirkungsfreien Impfstoffe. Insofern beinhaltet jede Impfung auch ein Risiko für den Geimpften, auch wenn es statistisch sehr selten ist. Das erfordert rechtlich eine adäquate Aufklärung des Geimpften bzw. seiner rechtlichen Vertreter und die bewusste Einwilligung. Schriftliches Aufklärungsmaterial allein wird rechtlich nicht als ausreichend angesehen, es muss auch die Möglichkeit für Rückfragen geben. Besonders schwierig gestaltet sich die Aufklärung, wenn der Impfstoff eine Technologie verwendet, die in diesem Umfang noch nie am Menschen eingesetzt wurde und die Wirksamkeit sowie Nebenwirkungen des Impfstoffes am Menschen erst seit vergleichsweise kurzer Zeit erfasst werden. Dies gilt insbesondere, wenn dem Geimpften eine lange Lebensspanne bevorsteht und eine schwere Erkrankung an COVID-19 äußerst selten vorkommt, wie es im Falle der Kinder und Jugendlichen zu sein scheint.

Verhältnismäßigkeit von potenziellem Nutzen und Schaden

Es stellt sich bei SARS-CoV-2 prinzipiell die Frage, ob eine allgemeine Impfempfehlung bei Kindern und Jugendlichen ethisch vertretbar ist, da diese nach aktuellem Wissensstand ein sehr geringes Risiko schwerwiegender Krankheitserscheinungen und ein extrem niedriges Mortalitätsrisiko haben [1] und zudem das Infektionsgeschehen nicht in besonderer Weise antreiben [2–6] . Derzeit würde eine Impfung von Kindern und Jugendlichen primär dem Schutze der Erwachsenen dienen, was aus ethischer Sicht besonders strenge Maßstäbe hinsichtlich Sicherheit und Unbedenklichkeit für die geimpften Kinder und Jugendlichen voraussetzt. Dafür fehlen aktuell alle wissenschaftlichen Grundlagen. Auch der sich abzeichnender Nachweis, dass diese Impfstoffe die Infektiosität Geimpfter für Andere reduzieren oder verhindern, darf nicht automatisch zur Begründung einer Impfung bei Kindern und Jugendlichen herangezogen werden.

Nicht abzusehende unspezifische Impfeffekte

Auch bei den neu entwickelten SARS-CoV-2-Impfstoffen ist mit unspezifischen Impfeffekten zu rechnen, die aufgrund der Vielfalt verwendeter Impftechnologien sehr unterschiedlich ausfallen können. Sowohl unerwünschte als auch erwünschte Effekte (z. B. Kreuzimmunität gegen andere Erreger) sind möglich. Das Erfassen unspezifischer Effekte setzt meist längere Beobachtungszeiträume als in den Zulassungsstudien und ausreichend große, möglichst vergleichend erfasste Kollektive voraus. Unspezifische Effekte können überraschend ausfallen und erfordern eine möglichst vorurteilsfreie, breit angelegte, längerfristige Nachbeobachtung der Geimpften, um sie erfassen zu können [7] .

Schlussfolgerung

Kinder und Jugendliche sollten nur zu ihrem eigenen Schutz in sehr gut begründeten Fällen, wie beispielsweise bei Down-Syndrom, gegen eine COVID-19 Erkrankung bzw. eine Sars-CoV-2-Infektion geimpft werden, da für die Impfstoffe noch keine Langzeitstudien vorliegen und aufgrund der Neuartigkeit einiger Impfstoffe so gut wie keine Vergleiche existieren.

Sollte es nach ausreichender Prüfung der Sicherheit von SARS-CoV-2-Impfstoffen zu einer Verimpfung an Kinder und Jugendliche kommen, so muss diese zwingend in der Hand pädiatrischer Ärzt*innen bleiben und darf nicht in Impfzentren erfolgen, da nur Kinder- und Jugendärzt*innen den Gesundheitsstatus ausreichend beurteilen können. Zudem muss eine fachlich kompetente Früherkennung und sowohl wissenschaftliche als auch therapeutische Begleitung etwaiger Nebenwirkungen durch die behandelnden Kinder- und Jugendärzt*innen gewährleistet werden.

Beteiligte

Prof. Dr. med. David Martin, Lehrstuhl für Medizintheorie, Universität Witten-Herdecke
Dr. med. Silke Schwarz, Lehrstuhl für Medizintheorie, Universität Witten-Herdecke

Literatur

  1. Ludvigsson, J. F. (2020). Systematic review of COVID-19 in children shows milder cases and a better prognosis than adults. Acta Paediatrica (Oslo, Norway: 1992). https://doi.org/10.1111/apa.15270
  2. Lee, B., & Raszka, W. V. (2020). COVID-19 Transmission and Children: The Child Is Not to Blame. Pediatrics, 146(2). https://doi.org/10.1542/peds.2020-004879
  3. Gilliam, W. S., Malik, A. A., Shafiq, M., Klotz, M., Reyes, C., Humphries, J. E., … Omer, S. B. (2021). COVID-19 Transmission in US Child Care Programs. Pediatrics, 147(1). https://doi.org/10.1542/peds.2020-031971
  4. Schwarz, S., Jenetzky, E., Krafft, H., Maurer, T., Steuber, C., Reckert, T., … Martin, D. (2021). Corona bei Kindern: Die Co-Ki Studie. Monatsschrift Kinderheilkunde, 169(1), 39–45. https://doi.org/10.1007/s00112-020-01050-3
  5. Isphording, I. E., Lipfert, M., & Pestel, N. (2020). School Re-Openings after Summer Breaks in Germany Did Not Increase SARS-CoV-2 Cases (IZA Discussion Papers No. 13790). Bonn: Institute of Labor Economics (IZA). Abgerufen von http://hdl.handle.net/10419/227317
  6. Zhu, Y., Bloxham, C. J., Hulme, K. D., Sinclair, J. E., Tong, Z. W. M., Steele, L. E., … Short, K. R. (2020). A Meta-analysis on the Role of Children in Severe Acute Respiratory Syndrome Coronavirus 2 in Household Transmission Clusters. Clinical Infectious Diseases, (ciaa1825). https://doi.org/10.1093/cid/ciaa1825
  7. Circulating vaccine-derived poliovirus type 2 – Sudan. (2020). World Health Organization. Abgerufen 16. Februar 2021, von http://www.who.int/csr/don/01-september-2020-polio-sudan/en/